von Hauptmann Paul Hapke
Die Panzergrenadierbrigade 41 „Vorpommern“ als erste deutsche enhanced Vigilance Activity Brigade Litauen
Anfang Juni diesen Jahres verkündete Bundeskanzler Olaf Scholz, die Verteidigung Litauens mit einer Kampfbrigade zu unterstützen. Auf dem folgenden NATO-Gipfel in Madrid bestätigte er die Gestellung dieser Brigade als zusätzlichen deutschen Beitrag neben dem bestehenden Engagement im Rahmen der Mission enhanced Forward Presence (eFP).
Die Panzergrenadierbrigade 41 „Vorpommern“ wurde dabei als erste Brigade des Deutschen Heeres für diesen neuen Auftrag ausgewählt und berichtet im Folgenden von ihren Erfahrungen
Bundeskanzler Scholz versichert Kampfbrigade für Litauen
Seit Beginn des Krieges in der Ukraine am 24. Februar 2022 offenbart sich schonungslos die Zerbrechlichkeit unserer europäischen Sicherheitsarchitektur sowie die Endlichkeit von Diplomatie. Seitdem wurde vor allem über Ländergrenzen hinweg viel aus der Sicht der einzelnen Länder, aber auch aus der Perspektive der NATO getan. Greifbar wurde dies auch mit sogenannten enhanced Vigilance Activities (eVA; dt. verstärkte Wachsamkeits-Aktivitäten), die defensiv ausgerichtet sind und gleichzeitig die Verteidigungsfähigkeit des Bündnisses erhöhen.
Darunter fällt auch das Angebot des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz, das Land Litauen mit einer in Deutschland vorgehaltenen, einsatzbereiten „Kampftruppenbrigade“ unter deutscher Führung als enhanced Vigilance Activity Brigade Litauen (eVA Brig LTU) zu verstärken, um mit diesem Beitrag den gestiegenen Sicherheits- und Schutzforderungen Litauens gerecht zu werden und gleichzeitig den Gesamtschutz und das Abschreckungspotential an der NATO-Ostflanke zu erhöhen.

Novum-Auftrag geht an die Panzergrenadierbrigade 41 „Vorpommern“
In der Frage „Wer wird die erste eVA-Brigade Litauen im Deutschen Heer?“ wurde sich schnell auf die Panzergrenadierbrigade 41 „Vorpommern“ geeinigt, einen einsatzerfahrenen Großverband mit Sitz im mecklenburgischen Neubrandenburg und seinen sechs Verbänden in Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt.
Neben ihrer geografischen Lage im norddeutschen Raum, was im Falle einer Verlegung ins litauische Einsatzgebiet einen zeitlichen Vorteil bedeutet, hatte die Brigade vor allem durch die Führung der 11. multinationalen Battle Group eFP Litauen (Februar – August 2022) bereits wichtige Erfahrungen sammeln können. Diese intensive Missionszeit war stark geprägt von den schrecklichen Ereignissen rund um den Krieg, doch gerade der mehrmonatige „Blick ins Gelände“ und die gesammelten Erkenntnisse im Rahmen der scharfen strategischen Verlegung von Verstärkungskräften des deutschen Einsatzkontingents, prädestinierte den im Nordosten stationierten Großverband für den neuen Auftrag eVA-Brigade.

Gefechtsstand Marsch! Marschziel: RUKLA!
Bereits wenige Tage nach dem angesprochenen NATO-Gipfeltreffen ging es für ausgewähltes Personal der Brigade mit dem Flugzeug ins Baltikum, um vor Ort nach geeigneter Infrastruktur zu suchen und die ersten erforderlichen Absprachen zu treffen. Dabei war schnell klar, dass nur ein fester Kern an Personal dauerhaft in Litauen verbleiben wird, während sich der größte Teil der Brigade weiter in Deutschland bereithält, um von dort temporär für binationale Übungsvorhaben zu verlegen.
„Für gemeinsame Verteidigungsplanungen braucht es nun einmal Soldaten vor Ort.“ – erinnert sich Brigadegeneral Christian Nawrat, Kommandeur der Panzergrenadierbrigade 41, an die kurze Phase der Vorbereitung. „Daher hatte ich mich bereits im Juni festgelegt wie und mit welchen Vorgaben ich meinen vorgeschobenen Gefechtsstand – ein Forward Command Element (FCE) – dauerhaft nach Litauen verlegen und den nötigen Personalbedarf dafür mit Soldaten aus meinem Brigadestab decken möchte.“
Damit schlug die Stunde von Oberstleutnant Sebastian, der als eingesetzter Führer FCE diesen Auftrag seit Beginn mit begleitet. Damit ist er vor Ort der erste Ansprechpartner für seine Brigadeführung national, aber auch für alle Anliegen aus Litauen kommend. Er war auch während der ersten Erkundung dabei, als ein geeigneter, vorläufiger Platz für das FCE gesucht wurde. Die Wahl fiel auf die Stadt Rukla, die als großer Standort für ausländische Militärangehörige seit Jahren u.a. die Soldaten der eFP Battle Group beheimatet. „Hier hatten wir vor allem durch die deutsch-geführte Battle Group viele Synergie-Effekte und zudem unsere litauischen Kameraden immer in der Nähe, für Fragen jeder Art. Gerade am Anfang war diese Unterstützung enorm wichtig.“ so Oberstleutnant Sebastian.
„Am Anfang“ ist nun vorbei. Seit dem 4. September ist das Personal FCE vollzählig nach Rukla verlegt und hat die Arbeit aufgenommen. Oberstleutnant Sebastian ist stolz auf sein Team, dass fern der Heimat in der kurzen Zeit beachtliches geleistet hat.

„Als die Verteidigungsministerin und ihr litauischer Amtskollege am 8. Oktober das FCE offiziell in Dienst stellten, waren die meisten Soldaten gerade einmal 5 Wochen hier. In diesen wenigen Wochen haben wir – parallel zum Ministerbesuch – die Gefechtsstandübung TRAINING EVENT AUTUM erfolgreich durchgeführt und damit die Einsatzbereitschaft des FCE im Zusammenwirken mit dem Gefechtsstand der 1. Panzerdivision auch im erprobten Rückgriff auf den MAIN der Brigade bewiesen. Weiterhin wurde durch uns die erste binationale Übung mit deutscher und litauischer Truppe vorbereitet – FAST GRIFFIN. Wir sprechen hier von über 200 Kameraden der Infanterie, die mit ihren Fahrzeugen per Fähre und Flugzeug erfolgreich verlegt sind und hier gemeinsam bis Mitte Oktober geübt haben. Innerhalb so kurzer Zeit den organisatorischen Rahmen für so etwas hinzubekommen, dass spricht für die Qualität unserer Brigade und der hervorragenden Zusammenarbeit zwischen unserem Hauptgefechtsstand (MAIN) in Neubrandenburg und dem FCE als vorgeschobener Gefechtsstand (FWD).“
Dass FAST GRIFFIN erst der Anfang war, das wissen er und sein Team genau. Zusammen gilt es nun die nächsten Übungen vorzubereiten. Dabei ist ein steter Aufwuchs der Übungsteilnehmer angedacht. Denn im Ernstfall ist es die Aufgabe des FCE, neben der temporären taktischen Führung, vor allem die Aufnahme von mehreren Tausend Soldaten im Einsatzgebiet vorzubereiten.
Auch der Kommandeur, Brigadegeneral Nawrat, hält diesen Auftrag für wichtig und sieht ihn als eine starke Botschaft:
„Ich habe das Gefühl, dass wir als Gesellschaft endlich unsere Scheuklappen ablegen und erkennen, dass wir noch viel mehr gemeinsame Anstrengungen für unsere gemeinsame Sicherheit unternehmen müssen. Der Auftrag rund um eVA-Brigade mit seinem FCE ist ein klares Signal dafür, dass das auch in der Politik erkannt wurde. Die Anerkennung dafür – in Litauen wie in Deutschland – ist groß. Weiterhin verpflichtet uns der Auftrag zur gemeinsamen, dauerhaften Arbeit mit unseren litauischen Gastgebern. Und diese stete Zusammenarbeit ist eine Grundvoraussetzung für ein schlagkräftiges Bündnis zum Schutz unserer gemeinsamen Ostflanke.“
Facta non verba – Taten statt Worte!
Die Panzergrenadierbrigade 41 „Vorpommern“ lässt damit als erster Truppensteller der eVA Brig LTU den politischen Worten auch Taten folgen und erfüllt somit die Aussage der Bundeministerin der Verteidigung „Die Sicherheit Litauens ist die Sicherheit Deutschlands“ mit Leben.